Krankheitsbild

Störungen in der Neugeborenenzeit und ihre Behandlung

Bei Geburt fallen die Kinder nicht auf. Es geht ihnen aber schon in den ersten Lebenstagen zunehmend schlechter. Etwa ab dem 4. Lebenstag mögen sie nicht mehr trinken. Sie erbrechen und werden apathisch. Ab dann machen sich immer stärker die Zeichen einer Leberschädigung bemerkbar mit vermehrter Gelbsucht, einer vergrößerten Leber, Flüssigkeitsansammlung in der Haut und im Bauch, Störungen der Blutgerinnung und oft auch Zeichen einer schweren Infektion. Die Kinder sind dann sehr schwer krank. Außerdem beginnt sich, die Augenlinse zu trüben, was aber nur durch eine äußerst genaue augenärztliche Untersuchung festgestellt werden kann.

Besteht der Verdacht auf einen Galaktosämie, muss die normale Ernährung (Stillen oder normale Säuglingsnahrung) gestoppt werden und gegen eine Spezialmilch, die weder Laktose noch Galaktose enthält, ausgetauscht werden. Nach der Umstellung auf laktosefreie Milch bessert sich der Zustand des Kindes innerhalb weniger Tage. Die Leberschädigung und die Trübung der Augenlinse bilden sich in der Regel vollständig zurück.

Früher konnte bei einem Kind das Vorliegen einer Galaktosämie nur anhand der schweren Krankheitssymptome in der 2. und 3. Lebenswoche entdeckt werden und auch nur dann, wenn die Kinder ganz normal gestillt wurden oder normale Säuglingsmilch erhielten. Diese Kinder entwickelten einen schweren Leber- und Nierenschaden.

Neugeborenenscreening

Seit nunmehr etwa 30 Jahren lässt sich die Galaktosämie auch schon in den ersten Lebenstagen im Rahmen des Neugeborenen-Früherkennungsprogramms für angeborene Krankheiten aufdecken. Für diese Untersuchung werden bei jedem in Deutschland geborenen Kind am 3. Lebenstag einige Blutstropfen aus der Ferse entnommen, auf ein Filterpapier getropft, getrocknet und in ein Speziallabor geschickt. Dort kann die Galaktose und/oder die GALT im getrockneten Blut gemessen werden. Das Ergebnis dieser Untersuchung liegt meist um den 5.-6. Lebenstag vor. Ist das Ergebnis positiv, handelt es sich zunächst nur um eine Verdachtsdiagnose, die durch eine Spezialuntersuchung im Blut bestätigt werden muss.

Das Neugeborenenscreening hat zum Ziel, Galaktosämie in der schweren Form zu entdecken. Man kann aber auch sehr leichte Formen von Galaktosämie entdecken. Patienten mit solchen Formen haben noch einen recht hohen Anteil an GALT, der funktioniert, und ausreicht, die Galaktose auch bei normaler Ernährung abzubauen. Diese leichten Formen entwickeln keine Symptome, und man kann bei ihnen gar nicht von einer Krankheit sprechen. Dementsprechend brauchen die leichteren Formen der Galaktosämie auch keine Behandlung.

Störungen beim älteren Kind mit Galaktosämie

Hat der Säugling mit Galaktosämie die akute Phase der Erkrankung überstanden, muss die galaktosearme Ernährung lebenslang fortgeführt werden. Langfristig kann es aber u.a. durch den Anstau von Stoffwechselprodukten aus der körpereigenen Galaktosebildung zu Beeinträchtigungen kommen.

Motorik und Bewegung

Die altersgemäße körperliche Entwicklung ist bei einem Teil der Patienten verzögert. Sitzen und Laufen werden unter Umständen zu einem etwas späteren Zeitpunkt erlernt als das bei gesunden Kindern der Fall ist. Grob- und Feinmotorik können gestört sein. Einige Patienten fallen auch durch ein Zittern auf, dass sich bei der Annäherung an das Ziel einer bestimmten Bewegung verstärkt (sog. Intentionstremor). Auch eine Störung der Bewegungsabläufe mit dem Auftreten unzweckmäßiger Bewegungen (sog. Ataxie) kann langfristige Folge der Galaktosämie sein.

Sprache

Für einen Teil der Patienten mit Galaktosämie bringt das Erlernen der Sprache wie auch das aktive Sprechen Schwierigkeiten mit sich. Teils verfügen die Kinder über einen eingeschränkten Wortschatz, teils zeigen sich im Schulalter Schwierigkeiten mit Grammatik und Zeichensetzung. Ebenfalls denkbar, jedoch eher selten, verlernen Menschen mit Galaktosämie einen Teil ihrer bereits erlernten Sprech- und Sprachfähigkeiten wieder. – Über eine logopädische Behandlung und deren Notwendigkeit sollten Sie mit Ihrer Kinderärztin/Ihrem Kinderarzt zu gegebener Zeit sprechen.

Sehen und Wahrnehmung

Zur Erblindung durch Trübung der Augen, wie es in vielen Büchern und Informartionsschriften immer noch steht, kommt es heute nur noch in ausgesprochenen Ausnahmefällen. – Dennoch sollten sie Ihr Kind nach Absprache mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt regelmäßig augenärztlich untersuchen lassen. Gelegentlich haben Menschen mit Galaktosämie aber Schwierigkeiten in der Verarbeitung und Einordnung von Dingen, die sie mit den Augen wahrgenommenen haben.

Lernen und Konzentration

Einige Patienten haben eine Leseschwäche, andere haben Schwierigkeiten mit Rechnen und Rechtschreibung. Möglich ist ebenfalls, dass ein Mensch mit Galaktosämie Konzentrationsstörungen hat. Das kann sich bei einem Teil der Patienten auch in den schulischen Leistungen niederschlagen.

Knochen und Wachstum

Das Wachstum und die endgültige Körpergröße von Kindern mit Galaktosämie unterscheidet sich nach heutigem Kenntnisstand nicht von dem gesunder Kinder. Bedingt durch die galaktosefreie Diät ist jedoch die Zufuhr von besonders gut verfügbaren Mineralien reduziert. Diese sind für das Wachstum und die Stabilität der Knochen von Bedeutung. Es ist daher sinnvoll, Kalzium mit anderen – erlaubten – Nahrungsmitteln (z.B. einigen Käsesorten und kalziumreiches Mineralwasser) in ausreichender Menge zuzuführen. Evtl. kann auch die Einnahme von Kalziumtabletten sinnvoll sein. Dies sollten Sie aber unbedingt mit ihrer Ärztin/Ihrem Arzt besprechen.

Pubertät

Ein großer Teil der Mädchen mit Galaktosämie kommt jedoch verspätet in die Pubertät. Die Regelblutung bleibt häufig zunächst aus, bei einigen Mädchen setzt sie überhaupt nicht spontan ein. Verantwortlich dafür ist ein Hormonmangel. Es werden zu wenig Hormone produziert, die den Beginn und spontanen Ablauf der Pubertät bewirken. In solchen Fällen kann das fehlenden Hormon medikamentös ersetzt und der Pubertätsbeginn so bewirkt werden. Männliche Patienten mit Galaktosämie zeigen keinerlei Störungen der Hormone oder der Pubertät.

Schwangerschaft und Kinderwunsch

Menschen mit Galaktosämie erfüllen alle körperlichen Voraussetzungen, um eigene Kinder zu bekommen. Leider führt jedoch der oben beschriebene Hormonmangel bei Mädchen dazu, dass die weiblichen Geschlechtsorgane vorzeitig die Fähigkeit zur Aufnahme einer befruchteten Eizelle verlieren. Dadurch können Frauen mit Galaktosämie nur in Ausnahmefällen schwanger werden und Kinder bekommen. Männliche Patienten betrifft der Hormonmangel nicht. Sie können wie jeder gesunde Mensch auch Kinder zeugen.

WICHTIG!

Eine Voraussage über die Entwicklung des einzelnen Patienten mit Galaktosämie ist bis heute nicht möglich. Niemand kann heute sicher vorhersagen, welcher Patient sich wie entwickelt. Auch bei gleicher Störung der Erbanlage können sich zwei Patienten mit Galaktosämie ganz unterschiedlich entwickeln. Die oben beschriebenen Störungen können lediglich Ihrer Information dienen. Welche Besonderheiten bei Ihrem Kind auftreten oder eben nicht vorkommen werden, lässt sich nicht vorhersagen. Hinweis auf Ergebnis Studie Frau Prof. Dr. Schweitzer-Krantz, dass ca. 60 % der untersuchten Patienten sich normal entwickelt und unauffällig waren.